Externes Storytelling im Webdesign: Emotionale Marketinggeschichten

Nahezu alles, das wir tun und denken, ist von Emotionen beeinflusst. Gefühle lenken - meist unbewusst - das menschliche Verhalten und bestimmen ein der Situation angemessenes Verhalten.

Durch den bewussten Einsatz von Storytelling können auch bei einer Webseite emotionale Aspekte einen größeren Einfluss auf das Nutzerverhalten haben, als tatsächliche praktische Features.

Geschichten als Grundlage für ein emotionales Erlebnis

Spätestens seit dem 21. Jahrhundert ist der Konsum von Produkten aller Art zu einem Teil unserer persönlichen Identifikation geworden. Im vorherigen Artikel haben wir Werkzeuge des internen Storytellings vorgestellt, die uns als Internetagentur helfen, dieses (Konsum-)Verhalten besser zu verstehen.

Externes Storytelling bietet dagegen die Möglichkeit, dieses Konsumverhalten aktiv zu beeinflussen, indem ein Webdesign mit narrativen Aspekten angereichert wird. Geschichten geben dem Besuch einer Webseite eine Struktur und hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

Im Folgenden untersuchen wir daher die für eine effektive Geschichte nötigen Vorraussetzungen einer Webseite und stellen einige Beispiele für den Einsatz von externen Storytelling zur Generierung einer herrausragenden Identität vor.

Webseiten mit Identität: Elemente für ein narratives Webdesign

Das Internet erweitert die Möglichkeit zum Erzählen von Geschichten enorm: Heutzutage können Geschichten wahlweise lokal, regional oder global verbreitet, beliebig oft wiederholt und in Sekundenschnelle weitererzählt werden. Multimediale und interaktive Inhalte wie Videos, Audios und Spiele unterstützen die Botschaft einer Geschichte zusätzlich.

Vor dem Hintergrund von Webdesign und Unternehmenswebseiten bietet Storytelling die Möglichkeit, Geschichten zur Stärkung der Identität einer Marke (sog. "brand stories") oder eines Produktes (sog. "product stories") einzusetzen.

Das Erzählen einer Geschichte allein hat jedoch nur geringen Einfluss auf die Wahrnehmung einer Marke oder eines Produktes. Vielmehr sind es einzelne Elemente und Faktoren, die – in Abstimmung mit der "brand story" oder "product story" – eine emotionale Verbindung zwischen einem Unternehmen und dessen Kunden aufbauen.

Im Webdesign prägen insbesondere die folgenden Elemente die Geschichte einer Webseite:

• visuelle Elemente des Webdesigns:
  Wie ist der Ersteindruck der Webseite? Welche gestalterischen Trends werden genutzt?
• visuelle Elemente des Unternehmens:
  Welche Aussage hat das Unternehmenslogo? Gibt es Werbesprüche / Slogans des Unternehmens?
• Tonalität der Webseite:
  Wie wird der Besucher angesprochen? Auf welche Weise werden Informationen vermittelt?
• Informationsdesign & -architektur:
  Wie ist die Webseite aufgebaut? Welche Inhalte stehen im Vordergrund?
• Interaktionsdesign:
  Auf welche Weise kann ein Besucher mit der Webseite interagieren?
• Unternehmenskultur des Webseitenbetreibers:
  Wer steckt hinter der Webseite? Was ist die Meinung des Betreiber zu relevanten Themen?

Ein Unternehmen kann nur dann eine emotionale Verbindung zu seinen Kunden aufbauen, wenn die "brand story" der Webseite definiert, für welche Werte das Unternehmen steht. Eine solche Geschichte verleiht einer Webseite eine Identität, die über die konkreten Eigenschaften und Features der Webseite hinausgeht.

Leitmotive für kosistentes Erzählen: Experience Themes im Webdesign

Damit eine Webseite eine glaubhafte Geschichte erzählen kann, müssen alle Eigenschaften und Elemente der Webseite diese Geschichte unterstützen. Dabei ist eine zentrale Aussage hilfreich, die sowohl die Inhalte einer Geschichte, wie auch deren Anordnung und Zusammenhänge bestimmt. Insbesondere die folgenden Eigenschaften sind für eine gute Geschichte wichtig:

Die im vorangegangenen Artikel vorgestellten Experience Themes können eine solche zentrale Aussage effektiv definieren. Durch Bewertung von Features einer Webseite an einem Experience Theme werden diese in Einklang mit der emotionalen Aussage gebracht, die eine Webseite vermitteln soll.
Die ersten beiden Anforderungen einer guten Geschichte (Bestimmung einer zentralen Aussage und Auswahl der Ereignisse beziehungsweise Features) sind damit bereits erfüllt.

Ein Experience Theme wie "Schrei vor Glück! Oder schick’s zurück!” bestimmt beispielsweise neben konkreten Features und Inhalten wie einem Rückgaberecht auch technische und gestalterische Entscheidungen. Eine dem Theme entsprechende Webseite muss demnach eine schlanke, zielgerichtete Informationsarchitektur aufweisen (um schnell ans Ziel zu kommen), aber auch überraschende Interface-Elemente bieten, die den Besucher der Webseite erfreuen.

Der Einsatz von Experience Themes zur Definierung von Marketinggeschichten ist dabei keineswegs auf Webseiten begrenzt. Wird ein Experience Theme in einem größeren Ausmaß eingesetzt, prägt es nebem dem Image einer Webseite schließlich die gesamte Identität einer Marke oder eines Unternehmens.

Das Experience Theme der britischen Handelskette "The Body Shop" könnte beispielsweise "Ethisch und ökologisch korrekte Kosmetik" lauten. Durch eine konsistente Ausrichtung aller Elemente nach diesem Theme entsteht dann eine globale Identität - die häufig nur wenig konventionelle Werbung zu ihrer Verbreitung benötigt. Im Falle von "The Body Shop" könnten neben der Unternehmenswebseite die folgenden Elemente entsprechend eines Experience Themes ausgerichtet werden:

• Eigene Produkte:
  Es werden nur natürliche Zutaten verwendet und es finden keine Tierversuche statt.
• Verpackung:
  Die Verpackungen der Produkte sind schlicht und in der Regel wiederbefüllbar.
• Verkaufspolitik:
  Ein formuliertes Experience Theme findet sich in verschiedenen Formen in Broschüren, auf Plakaten und auf der Webseite des Unternehmens wieder.
• Mitarbeiter:
  Angestellte von "The Body Shop" sollen sich für den Umweltschutz engagieren und über den Hintergrund der eigenen Produkte informiert sein.
• Beschaffung von Gütern:
  Produkte verwenden Material von kleinen lokalen Zulieferern und unterstützen das "Fair-Trade"-Prinzip.
• Öffentliches Auftreten:
  Das Unternehmen bezieht Stellung zu ökologischen Themen und Franchisenehmer sind verpflichtet, lokale Gemeindeaktionen zu unterstützen.

Beispiele für Storytelling im Webdesign

Die folgenden Webseiten zeigen, wie Unternehmen Storytelling konkret nutzen, um eine Markenidentität zu unterstützen, Produktfeatures interessant zu präsentieren und Daten und Statistiken in narrative Infografiken zu verwandeln.

Die weltweit bekannte und beliebte "Coca-Cola" ist im Grunde lediglich ein koffein- und kohlesäurehaltiges Getränk. Durch den Einsatz von Storytelling schafft es das Unternehmen jedoch bereits seit Jahrzehnten, das Getränk mit Lebensfreude gleichzusetzen.

Das Experience Theme "Mach dir Freude auf" unterstreicht Coca-Cola unter anderem mit einer nur auf diese Geschichte ausgerichteten Webseite, dem sogenannten "Happiness Insitut".

Das Unternehmen Zensorium nutzt Techniken des modernen Internets, um die Funktionsweise seines Fitness-Trackers "Tinké" durch Storytelling zu bewerben. Auf der Webseite des Produkts werden Illustrationen beim Scrollen der Webseite so animiert, dass dem Besucher die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten und Features des Geräts in beeindruckender Weise präsentiert werden.

So bleiben Webseite und Produkt bei Besuchern langfristig in Erinnerung.

Neben der ansprechenden Präsentation von Geräteeigenschaften eignet sich Storytelling insbesondere zur kurzweiligen und tiefgreifenden Vermittlung von Informationen und Daten. Die Webseite der amerikanischen Sucht- und Rehabilitationsgesellschaft “Rehabs” nutzt Storytelling, um Statistiken und Daten zu Drogenkomsum an Hochschulen in eine unterhaltsame Infografik zu verwandeln - damit die Aussage dieser Daten auch wirklich ankommt.

Zusammenfassung: Emotionalität und Konsistenz durch Storytelling

Die emotionale Verbindung zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden ist gerade in unserer modernen Konsumgesellschaft von hoher Bedeutung. Storytelling bietet die Mittel, auch im Internet eine Markenidentität emotional zu präsentieren oder diese bewusst zu erzeugen.

Die Formulierung eines gemeinsamen Ziels in Form eines Experience Themes hilft, eine Geschichte auch über mehrere Medien hinweg konsistent zu präsentieren und bietet gerade in der Praxis einen Maßstab, um Features und Elemente eines Webdesigns hinsichtlich einer konsistenten Geschichte zu messen.

Ausblick: Gamification als weiterer Ansatz für ein emotionales Webdesign

Gamification beschreibt den Einsatz von Elementen aus Spielen in Bereichen außerhalb von (Video-)Spielen und stellt einen weiteren Ansatz zur Erzeugung von Emotionen im Webdesign dar. In einer ersten Übersicht zum Thema stellen wir Spielmechaniken und Spielertypen vor und untersuchen, wie sich diese in ein modernes Webdesign einbinden lassen.